Anlass, einen Blick auf die vergangenen 50 Jahre zu werfen.

Die Grundsteinlegung zum Bau der Justizvollzugsanstalt Schwerte erfolgte im Jahre 1968. Drei Jahre betrug die Bauzeit. Die Liegenschaft wurde außerhalb des Ortsteils errichtet und verfügte neben den Haupt- und Nebengebäuden für die Haft auch über 20 Dienstwohnungen, die im rückwärtigen Bereich des Geländes außerhalb des Haftbereiches errichtet wurden. Wie zu dieser Zeit üblich, bewohnten verschiedene Funktionsträger*innen, wie zum Beispiel die Anstaltsleitung, die Leitung des Allgemeinen Vollzugsdienstes oder Bedienstete des medizinischen Bereiches, die Dienstwohnungen, um im Falle einer besonderen Sicherheitsstörung unmittelbar für die Bewältigung der Lage vor Ort zu sein.

Die JVA Schwerte wurde ursprünglich als Untersuchungshaftgefängnis für Frauen und Männer geplant und gebaut. Die bauliche Gestaltung der Liegenschaft orientierte sich daher an den Bedürfnissen der Untersuchungshaft. Diese hat entsprechend der gesetzlichen Vorgaben die Aufgabe, während die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch andauern und noch kein rechtskräftiges Strafurteil des Gerichtes vorliegt, Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr oder Verdunkelungsgefahr bei den Beschuldigten zu verhindern,

In den heute noch vorhandenen Bereichen des A, B und C Flügels sollten die männlichen Untersuchungshaftgefangenen untergebracht werden, im damaligen bereits baulich getrennten Bereich des E Flügels die weiblichen Unter­such­ungs­haft­gefangenen. Für die weiblichen Untersuchungshaftgefangenen wurde in direkter Nähe des Unterbringungsbereich auch die Anstaltswäscherei errichtet, um hier - so der Gedanke Ende der 60er Jahre - typische „Frauenarbeitsplätze“ einzurichten. Für die männlichen Untersuchungshaftgefangenen waren einige wenige Werkräume vorgesehen. Da während der Zeit der Untersuchungshaft heute wie damals keine Arbeitspflicht in Nordrhein-Westfalen für Untersuchungshaftgefangene besteht, wurde der entsprechende Raumbedarf zum Zweck des Arbeitseinsatzes der Gefangenen insgesamt geringer angesetzt, als dies für Justizvollzugsanstalten mit Strafhaftvollzug der Fall ist.

Ein weiteres Baumerkmal, welches auf die Planungen der gemeinsamen Unterbringung von Frauen und Männern in der JVA Schwerte hindeutet, ist die heute noch vorhandene Empore in der Anstaltskirche. Hier sollten die weiblichen Gefangenen über den Köpfen der männlichen Gefangenen im Erdgeschoss der Kirche an den Gottesdiensten teilnehmen können.

Am 01.09.1971 wurde die JVA Schwerte, damals als „JVA Hagen – Außenstelle Ergste“ benannt, in Betrieb genommen und die ersten 29 Gefangenen aufgenommen. Die Justizvollzugsanstalt diente jedoch nicht als Untersuchungshaftanstalt für Männer und Frauen, sondern ausschließlich als Vollzugsanstalt für männliche erwachsene Strafgefangene mit einer Belegungsfähigkeit von 269 Haftplätzen.

Baustelle neue Werkhallen der JVA Schwerte 2004
Baustelle - Hier entstehen die neuen Werkhallen.
Neubau Werkhallen und G Flügel

Die Nutzung des als Untersuchungshaftgefängnis gebauten Gebäudes für den Vollzug der Strafhaft stellte das gesamte Angebot an Behandlungsmaßnahmen einschließlich der Einrichtung entsprechender Arbeitsplätze für Gefangene sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht immer wieder vor, zum Beispiel räumliche, Herausforderungen. Dies führte zum Erweiterungsbau der JVA Schwerte, der seit 2005 genutzt wird.

Neben der Erweiterung der Haftplätze durch Neubau von Haftabteilungen wurden eine Sporthalle, sowie 8 Arbeitshallen, eine zusätzliche Personen- und Fahrzeugschleuse, sowie eine neue umfassende Sicherheitszentrale errichtet. Es folgten weitere Sanierungen im Bestand, sowie der Umbau und die Erweiterung des Verwaltungs- und Besuchsbereichs im Jahr 2016. Insgesamt verfügt die Justizvollzugsanstalt Schwerte heute über 351 Haftplätze. Insgesamt rund 200 Bedienstete der unterschiedlichen Laufbahnen und Fachdisziplinen sind aktuell hier tätig. Die JVA Schwerte ist für die Vollstreckung von kurzen und langen Freiheitsstrafen entsprechend dem Vollstreckungsplan zuständig. Bei Freiheitsstrafen von mehr als 30 Monaten durchlaufen die Gefangenen vor der Verlegung nach Schwerte das Einweisungsverfahren in der JVA Hagen.

Die Aufgabe der Justizvollzugsanstalten des Landes NRW besteht darin, die Gefangenen zu befähigen, ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen. Dazu werden eine Reihe von Behandlungsmaßnahmen vorgehalten, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.
Dieses Behandlungsangebot umfasst unter anderem Maßnahmen zum Erwerb sozialer Kompetenzen, therapeutische Angebote, schulische Förderung, berufliche Förderung bzw. Qualifikation, sowie Motivations- und Beratungsangebote für Suchtkranke und die Schuldnerberatung.

Ein weiterer wesentlicher Baustein der Behandlungsmaßnahmen ist die Arbeit der Gefangenen. Neben strukturierenden Elementen hat die Arbeit motivierenden Charakter und ermöglicht es den Gefangenen, unterschiedliche Kompetenzen zu entwickeln oder zu erhalten. Durch die Vergütung ihrer Arbeitstätigkeit haben die Gefangenen die Möglichkeit, Artikel, die über die Grundversorgung der Justizvollzugsanstalt hinausgehen, zu erwerben. Hierzu zählen zum Beispiel Süß- und Rauchwaren oder Zeitungen. Zudem sparen die Gefangenen einen Übergangsbetrag für die Zeit nach der Entlassung an. Daneben werden Beiträge für die Arbeitslosenversicherung entrichtet, sodass, je nach Einzelfall nach der Entlassung, die Zahlung von Arbeitslosengeld erfolgt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient jedoch immer auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Daher sind eine Reihe baulich-technischer Vorkehrungen, organisatorischer Regelungen sowie soziale und behandlungsfördernde Strukturen geschaffen. Das Behandlungsangebot der JVA Schwerte war bereits nach der Inbetriebnahme 1971 breit gefächert. Es wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder überarbeitet und dem jeweiligen Bedarf angepasst.

Sanierung des Kamins 2021

So verfügt die JVA Schwerte in allen Flügeln sowohl über geschlossene Abteilungen, auf denen während der Freizeit nur der sogenannte „Umschluss“, also das gegenseitige Besuchen der Gefangenen im Haftraum des anderen, möglich ist, aber auch über nach innen geöffnete Abteilungen. Deren Charakter ist es, dass Gefangene, die spezielle Anforderungen erfüllen, den Haftraum stundenweise verlassen können und an einem wohngruppenähnlichen Angebot teilnehmen können.

Daneben haben sich über die vergangenen 50 Jahre verschiedene Schwerpunktbereiche entwickelt. Im schulpädagogischen Bereich können die Gefangenen durch die Auseinandersetzung mit geeigneten Unterrichtsinhalten nicht nur Wissens- und Bildungsdefizite aufarbeiten, sondern werden in einer stützenden und lernmotivierenden Atmosphäre zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen geführt. Die Schulabteilung wird heute als Wohngruppe geführt, rund 50 Gefangene nehmen an den schulischen Angeboten, teils auch als Vorbereitung auf berufliche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in anderen Anstalten, teil.

Ferner bot die JVA Schwerte bereits früh eine Schwerpunktabteilung für Gefangene mit Drogenproblematik an. Speziell geschulte Bedienstete unterstützen die Gefangenen durch Fördern und Fordern in einem wohngruppenähnlichen Rahmen dabei, eine abstinente Lebensführung zu erlernen und bereiteten die Gefangenen auf die Teilnahme an einer stationären oder ambulanten Drogentherapie außerhalb des Justizvollzugs vor. Die diesbezüglichen Konzepte wurden immer wieder an den aktuellen Stand und den bestehenden Bedarf angepasst und besteht auch heute noch mit 18 Plätzen.

Auch ein spezielles Programm für Gefangene mit Gewaltproblematik wird seit mehreren Jahrzehnten angeboten. Unter wohngruppenähnlichen Rahmenbedingungen setzen sich dort die Gefangenen mit Unterstützung und Begleitung speziell geschulter Bediensteter unterschiedlicher Disziplinen mit den Ursachen ihrer Straffälligkeit intensiver auseinander. Im Jahr 2001 wurde das Behandlungsangebot ausgeweitet, sodass auch Sexualstraftäter an diesem speziellen Behandlungsangebot teilnehmen können. Diese Schwerpunktabteilung besteht bei regelmäßiger Anpassung der therapeutischen Inhalte heute in Form der Sozialtherapie fort. Im Rahmen der Erweiterungsbauten im Jahr 2005 wurde u.a. ein neuer Haftbereich errichtet, in dem drei Behandlungswohngruppen für junge Straftäter untergebracht sind, die sogenannten "Jungtäterabteilungen". Junge Erwachsene im Alter von 21 bis 26 Jahren haben eine besonders günstige Ausgangssituation für die Resozialisierung im Strafvollzug. Weil die Entwicklung ihrer Persönlichkeit oft noch nicht ab-geschlossen ist, muss ihr kriminelles Verhalten nicht zwangsläufig Ausdruck einer verfestigten kriminellen Lebensweise sein. Die Betroffenen sind in vielen Fällen charakterlich noch formbar und eher als andere Gruppen bereit, ihr Verhalten zu ändern. Ebenfalls im Rahmen der Erweiterungsbauten konnten im Jahr 2005 neue Werk-hallen in Betrieb genommen werden, um das Angebot an Arbeitsmöglichkeiten bedarfsgerecht zu gestalten. In den 80iger und 90iger Jahren haben die Gefangenen noch vielfach Zellenarbeit, wie die Montage von Wäscheklammern, ausgeführt. Durch den Neubau der Werkhallen können nun, auch aus Sicherheitsgründen, die Bereiche „Arbeit“ und „Unterbringung“ getrennt werden. Zudem stehen zeitgemäße Produktionsplätze zur Verfügung, sodass in den Werkhallen verschiedene Auftragsarbeiten für Unternehmen ausgeführt werden, wie zum Beispiel die Montage von Scharnieren, Verpackungs- oder Dispositionsarbeiten. Gefangene, die erst an den Arbeitsprozess herangeführt werden müssen, haben die Möglichkeit, im Be-reich der arbeitstherapeutischen Beschäftigung die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch die Bearbeitung von Holz- und Keramikbereich zu erlernen.

Die bereits bei Inbetriebnahme der Anstalt eingerichtete Wäscherei wird auch heute noch für den Eigenbedarf und umliegende Justizvollzugsanstalten betrieben und Gefangene in diesem Bereich eingesetzt. Weitere Arbeitsmöglichkeiten ergeben sich in der Anstaltsküche, sowie bei der Gebäudereinigung, teilweise auch der Gebäudeunterhaltung, Geländepflege oder der Gefangenenbücherei und der Redaktion der Gefangenenzeitung.

Ergänzend zu den klassischen Behandlungsmaßnahmen trägt auch das Freizeit- und Kulturangebot dazu bei, die Aufgabenstellung der JVA Schwerte zu erfüllen. Neben Sport- und Freizeitgruppen wir die soziale Kulturarbeit als Mittel zur Kommunikation genutzt. Dabei stellt sie vor allen Dingen kommunikative Strukturen bereit und hilft Menschen dabei, aus ihrem Alltag herauszutreten. Durch Denkanstöße, bis hin zur Provokation, will die Kulturarbeit mit vielfältigen Wahrnehmungen ein Denken in Alternativen ermöglichen und unterstützen. Dabei werden verschiedenen rein interne Projekte angeboten. Im Rahmen des Projektes „Theaterlabor Schwerte“ mündet die Erarbeitung und Aufbereitung eines Themas in einer öffentlichen Aufführung im Herbst eines jeden Jahres.